Nachdem der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung Kwizda Pharma GmbH gegen Landeshauptmann von Wien (C-760/21 - Urt. v. 02.03.2023) den Begriff der Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke einschränkend auslegt, häufen sich die Gerichtsentscheidungen, die Produkten die Verkehrsfähigkeit absprechen. Das OLG Celle hat entschieden, dass ein Produkt mit der Zweckbestimmung Nebenwirkungen einer antibiotischen Therapie, wie Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung zu verringern, nicht als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke einzustufen sei.
Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass diesbezüglich krankheitsbedingt ein erhöhter oder spezifischer Nährstoff bedarf bestehe. Dass durch die inaktivierten Bakterien die Nebenwirkungen einer antibiotischen Therapie gelindert werden und der Bakterienstamm Lactobacillus reuteri eine positive Auswirkung bei der Therapie einer Gastritis haben kann, würde nicht ausreichen, so das Gericht. Das LG München hat einem Leinsamenprodukt gegen Reizmagen (zur diätetischen Behandlung von Personen zur Darmträgheit mit den damit verbundenen Symptomen wie Verstopfung, Divertartikeln und Schleimhautentzündung) ebenfalls die Verkehrsfähigkeit als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke abgesprochen. Vom LG Hamburg wurde dem Produkt "Arthrosan" die Verkehrsfähigkeit versagt. Das Produkt mit den Inhaltsstoffen Glucosamin, Chondroitin und Hyaluronsäure wurde als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zum Diätmanagement bei arthrotischen Gelenkveränderungen vermarktet. Das LG Düsseldorf hat ein ähnliches Produkt ebenfalls als rechtswidrig eingestuft.
Hier befinden sich nun diverse Produkte auf dem Prüfstand. Im Fall des EuGH ging es um die Orthomol-Produkte „Orthomol immun“ und „Orthomol AMD extra“, die mit den Indikationen „zum Diätmanagement bei nutritiv bedingten Immundefiziten (z. B. bei rezidivierenden Atemwegsinfekten)“ bzw. „zum Diätmanagement bei fortgeschrittener altersabhängiger Makuladegeneration (AMD)“ in den Verkehr gebracht werden. Auch Produkte anderer Anbieter dürften hier betroffen sein. Die Entscheidung dürfte voraussichtlich dazu führen, dass sich der Markt der EBDs verkleinert und viele ihre Produkte nun als Nahrungsergänzungsmittel vermarkten werden, allerdings sind dort „medizinische“ Indikationen verboten, vielmehr gilt es, das engere Korsett der Health Claims Verordnung auszureizen.
Entscheidungen wie die Vorgenannten ergehen mittlerweile im Monatstakt. Solchen Anbietern scheinen die strengen Vorgaben der BGH-Rechtsprechung zu bilanzierten Diäten nicht bewusst zu sein, denn bei einer derartigen Studienlage gehen die Erfolgschancen vor Gericht gegen null. Auf Zeit zu spielen wird hier in der Regel auch nicht möglich sein, da der VSW seine Entscheidungen gerne, zumindest bei Nicht-Mitgliedern, im Eilverfahren erwirkt. Letztendlich sollte immer eine sorgfältige rechtliche Prüfung im Vorfeld der Vermartkung erfolgen.
Zu dem Entwurf in der Fassung vom 25.09.2015 im Einzelnen:
Zunächst einmal wird sich die Definition für EBDs ändern. Die neue Definition in Art. 2 Abs. 2 g der VO 609/2013 lautet:
„Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke" unter ärztlicher Aufsicht zu verwendende Lebensmittel zum Diätmanagement von Patienten, einschließlich Säuglingen, die in spezieller Weise verarbeitet oder formuliert werden; sie sind zur ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder bestimmter darin enthaltener Nährstoffe oder Stoffwechselprodukte oder von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf bestimmt ist, für deren Diätmanagement die Modifizierung der normalen Ernährung allein nicht ausreicht"
Mit der Neufassung will der Gesetzgeber noch deutlicher machen, dass EBDs unter ärztlicher Aufsicht zu verwenden sind und nicht als Ersatz von Arzneimitteln dienen sollen, also eben keine krankheitsvorbeugenden oder krankheitsheilenden Eigenschaften aufweisen. Ob sich dadurch die Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen EBDs und Arzneimitteln noch einmal verschärft, bleibt abzuwarten.
Wie bisher auch, müssen EBDs sicher und wirksam sein, hier ändert sich nichts. Ausdrücklich erwähnt ist nun allerdings das Erfordernis der Bioverfügbarkeit der Stoffe, die Nachweispflicht liegt hier bei dem Inverkehrbringer (Artikel 9 Absatz 3 VO 609/2013). Zudem gilt weiterhin das Verbot der kranhkeitsbezogenen Werbung (Artikel 9 Absatz 5 VO 609/2013).
Weiterhin ist auch der Einsatz von Stoffen mit Ausnahme von Vitaminen und Mineralstoffen und bestimmten weiteren Stoffen nicht beschränkt. Zwar sieht der Anhang zur VO 609/2013 eine sog. Unionsliste mit solchen Stoffen vor. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch andere nicht in der Liste genannte Stoffe in EBDs Anwendung finden können (Art. 15 Abs. 7 VO 609/2013).
Bei den Mindest- und Höchstmengen an Vitaminen und Mineralstoffen gibt es zumindest für normale EBDs keine Änderungen, diese werden nun im Anhang 1 des delegierten Rechtsaktes enthalten sein.
Was sich ändert, sind die Kennzeichnungsanforderungen. Insbesondere ist die Indikation nun mit den Worten "Zum Diätmanagement bei ..." anstelle von "zur diätetischen Behandlung von ..." zu benennen. Ferner hat die Nährwertkennzeichnung nach der LMIV 1169/2011 zu erfolgen, hier sind allerdings eine Reihe von Ausnahmen zu beachten.
Bleibt am Ende noch die wichtigste und gravierenste Änderung: Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (sog. Health Claims) für Lebensmittel sollen für EBDs künftig verboten sein. Das bedeutet, es darf nur die Indikation angegeben werden. Der Entwurf ist noch nicht in Stein gemeißelt, es ist allerdings davon auszugehen, dass es bei dieser Änderung bleiben wird.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Florian Meyer