Rechtliche Einstufung von Relaxation Drinks
Waren es in den 90ern und 2000ern die Energy Drinks, Alcopos und zuletzt Hangover-Drinks, die voll im Trend lagen, sind es nun Getränke, die für mehr Entspannung und besseren Schlaf sorgen sollen, sog. Relaxation Drinks. Wie zumeinst kommt der Trend aus den USA, hier wurden in 2017 über 100 Millionen Liter verkauft, Tendenz stark steigend. Zuweilen werden die Produkte auch als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, selbst Süßigkeiten kommen als Produktkategorie in Betracht. Nicht zuletzt durch TV-Formate wie die Höhle der Löwen wurden solche Produkte großflächig vermarktet. Die Produkte tragen Bezeichnungen wie "Sleep Well", "Smartsleep" und "For Your Sleep" oder haben Worte wie "chill" und "relax" im Namen. Als Inhaltsstoffe werden zum Teil bestimmte Aminosäuren, Melatonin, Baldrian, Melisse oder Passionsblume oder aber auch Vitamine und Mineralstoffe verwendet.
Rechtlich gesehen stellen sich hier einige Fragen. Stoffe wie Melatonin gelten als Arzneimittel im Sinne von § 2 Arzneimittelgesetz und dürfen nicht in Lebensmitteln Verwendung finden. Auch kann es sich bei einigen Stoffen um neuartige Lebensmittel, sog. Novel Food, handeln, welche wie Arzneimittel ohne Zulassung nicht verwendet werden dürfen (VO 2015/2283). Mitunter wird auch zu fragen sein, ob die Dosierungen gesundheitlich unbedenklich sind (Art. 14 EG-Basisverordnung 178/2002). Selbst wenn die Verkehrsfähigkeit bestätigt werden kann, wirft die Vermarktung Fragen auf. Häufig werden zwar nach der Health Claims Verordnung 1924/2006 zugelassene Health Claims verwendet, allerdings wird um diese Claims ein Marketingkonzept mit weiteren Aussagen gebaut, die möglicherweise nicht in der Form zugelassen sind. Mit Bezug zur "Relaxation" könnten z.B. abhängig von der Dosierung folgende Claims verwendet werden:
Jedoch beziehen sich diese zugelassenen Claims im Wesentlichen auf normale Körperfunktionen. Die Relaxation Produkte werden aber teilweise dahingehend vermarktet, dass sie den Schlaf verbessern oder die Stimmung aufhellen. Die Claims können z.B. lauten
Nur weil Magnesium zu einer normalen Funktionsweise des Nervensystems beiträgt, bedeutet das nicht, dass damit auch der Schlaf verbessert wird oder man weniger Prüfungsstress hat.
Die Claims werden zuweilen auch nicht auf bestimmte Stoffe bezogen (die natürlich im Produkt in signifikanten Mengen enthalten sein müssen), sondern auf das Produkt an sich, was nicht in Einklang mit der Health Claims Verordnung stehen dürfte.
Im Ergebnis bestehen bei dieser trendigen Produktkategorie doch gewisse Risiken. Wettbewerbsvereine wie der Verband Sozialer Wettbewerb kennen sich im Bereich der Health Claims und Gesundheitsprodukte sehr gut aus und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis Relaxation Produkte in deren Visier geraten (zur Zeit sind es die Influencer). Möglicherweise wird das aber auch bewusst in Kauf genommen. Zu einer anwaltlichen Absicherung wird jedenfalls geraten.
Hamburg, 01.03.2019
EU lässt traditionelle Health Claims zu
Mit der Verordnung (EU) 2019/343 hatte die EU Kommission folgende Bezeichnungen als traditionelle Health Claims im Sinne des Art. 1 Abs. 3 der Health Claims Verordnung zugelassen:
Brust-Caramellen, Hustenbonbon, Halsbonbon, Hustenmischung, Hustenperle.
Die Bezeichnungen dürfen in Deutschland für folgende Lebensmittel verwendet werden:
Harte oder weiche Süßigkeiten auf der Basis von Zuckerarten oder die zuckerfreien und kalorienreduzierten Varianten auf Basis von Süßungsmitteln (Polyole und/oder andere Süßungsmittel), die Extrakte von Kräutern, Früchten oder anderen Pflanzensubstanzen, Honig oder Malz enthalten.
Hamburg, 28.02.2019
Rechtsanwalt Dr. Florian Meyer (meyer@drmlegal.de)
Der schmale Grat zwischen Pflichtangaben und Health Claims
Gesundheitsbezogene Angaben für Lebensmittel müssen nach der Verordnung 1924/2006 (Health Claims Verordnung) per EU-Verordnung grundsätzlich zugelassen sein, sonst dürfen sie nicht verwendet werden. Diesem Zulassungserfordernis unterliegen jedoch nicht Angaben, mit denen Lebensmittel von Gesetzes wegen gekennzeichnet werden müssen. Diese Unterscheidung wirkt sich vor allem bei Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten) aus.
Bilanzierte Diäten dürfen nach § 21 Absatz 2 Nr. 2 der Diätverordnung nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie „eine Beschreibung der Eigenschaften und Merkmale, denen das Lebensmittel seine Zweckbestimmung verdankt“, enthalten. Diese „Beschreibung“ ist für bilanzierte Diäten somit verpflichtend. Auch wenn sie Gesundheitsbezug aufweist, unterliegt sie damit nicht dem Zulassungserfordernis für gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Health Claims Verordnung.
Wo die Grenze zwischen Health Claims und Pflichtangaben zu ziehen ist, bleibt den Gerichten überlassen. Das Oberlandesgericht Koblenz musste sich diesbezüglich mit einem als bilanzierte Diät vermarkteten Omega-3 Produkt befassen, welches mit folgenden Angaben gekennzeichnet wurde:
„Omega IQ Mini verbessert die Versorgung mit den für den Aufbau und Funktion des Gehirns wichtigen Omega 3 DHA und EPA und Vitaminen. Eine Unterversorgung dieser Nährstoffe kann Konzentrations- und Lernstörungen zur Folge haben“.
Weiter wurde das Produkt mit folgenden Aussagen ausgelobt:
„Die Erfahrungen der Verwender zeigen, dass Omega 3 IQ in den allermeisten Fällen bereits nach einigen Wochen zu spürbaren Verbesserungen hin zur normalen Leistungsfähigkeit des Gehirns in unterschiedlichen Kriterien beiträgt. Übrigens trägt die in Omega IQ enthaltene Omega-3 Fettsäure DHE ebenso zur Erhaltung der normalen Sehkraft bei“.
Das OLG Koblenz hat die Aussagen im ersten Absatz als zulässige Pflichtangaben im Sinne von § 21 Abs. 2 Nr. 2 Diätverordnung eingestuft. Hierzu hat es ausgeführt, dass zu den Pflichtangaben im Sinne der Regelung solche Angaben zählen, die den Arzt in die Lage versetzen, im Rahmen seiner ärztlichen Aufsicht zu prüfen, ob und gegebenenfalls zu welchen Zwecken und in welcher Art und Weise die bilanzierte Diät einzusetzen sei. Die Angaben über Inhaltsstoffe und deren Wirkweise müssten geeignet sein, den Arzt in die Lage zu versetzen, die Zweckangaben im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit nachzuvollziehen und individuelle Kontraindikationen zu berücksichtigen, dabei bedürfe es aber keiner medizinischen Fachsprache.
Anhand dieser Maßstäbe hat das OLG Koblenz die Aussagen im ersten Absatz als Pflichtangaben eingestuft. Bei den im zweiten Absatz enthaltenen Angaben handelt es sich nach Auffassung der Richter jedoch nicht mehr um Pflichtangaben, sondern um zulassungspflichtige Health Claims. Diese gingen über das hinaus, was der Arzt an Informationen benötige, um bezüglich des Produktes eine Therapieentscheidung zu treffen.
Im Ergebnis ist die Entscheidung zu begrüßen, weil sie eine Orientierung für die Umsetzung von Marketingkonzepten für bilanzierte Diäten gibt. Wirkaussagen, die nichts mit dem angegebenen Indikationsbereich zu tun haben, können in keinem Fall als Pflichtangaben verteidigt werden. Bei Angaben im Rahmen des Indikationsbereiches entscheidet der Einzelfall, hier sollte immer eine anwaltliche Prüfung vorausgehen.
Neue Erkenntnisse in Sachen Health Claims - Die BGH-Entscheidung zu "Repair Kapseln"
Selbst 10 Jahre nach Inkrafttreten der Health Claims Verordnung 1924/2006 (HCVO) bleiben viele Rechtsfragen hierzu offen. Dem Rechtsanwender tut jede Entscheidung gut, die ein bisschen mehr Licht in das Claims-Dunkel bringt. Viele Fälle erreichen mittlerweile den BGH, der leider im Umgang mit der Verordnung bisher noch keine klare Linie gefunden hat.
In seiner jüngsten Entscheidung ging es um die Bewerbung von zwei Nahrungsergänzungsmitteln, welche in einem Newsletter als „Repairkapseln“ bzw. „Herz-As-Kapseln“ beworben wurden, u.a. mit folgenden Aussagen:
„Mit der verbesserten Rezeptur und neuen wertvollen Inhaltsstoffen sorgen unsere neuen Repair-Kapseln PREMIUM für eine tolle Haut, fülliges Haar und feste Fingernägel – jetzt noch effektiver…“.
„Ihr Herz schlägt permanent … dennoch braucht dieses aktive Organ natürlich auch bestimmte Vitalstoffe, die die Herzmuskelzellen „bei guter Laune“ halten können. Wichtige davon sind in „Herz-As“ enthalten.“
Der BGH hatte sich zunächst mit der Frage zu befassen, ob die Aussagen „gesundheitsbezogen“ sind und damit der HCVO unterliegen. Der Gesundheitsbezug bei den Herz-As-Kapseln war aufgrund des Bezugs zur Herzfunktion offensichtlich, der BGH zieht den Begriff der „gesundheitsbezogenen Angabe“ seit Beginn seiner Entscheidungspraxis zur Verordnung weit (BGH, Urteil vom 26.02.2014, Az. I ZR 178/12 – Praebiotik). Bei den „Repair-Kapseln“ begründete der BGH die Einstufung der gesundheitsbezogenen Angabe damit, dass nach der EU-Verordnung 432/2012 Angaben zugelassen seien, die sich auf den Zustand von Haut, Haaren und Fingernägeln beziehen (beispielsweise die Angaben „Zink trägt zur Erhaltung normaler Haut / Haaren/ Nägel bei“).
Für den BGH stellte sich anschließend die Frage, in welche Kategorie die Claims einzuordnen sind. Handelt es sich um allgemeine spezifische oder unspezifische gesundheitsbezogene Angaben? Spezifische Angaben müssen per EU-Verordnung zugelassen sein, wobei bisher die meisten Zulassungen durch die VO 432/2012 erfolgt sind. Unspezifische Claims sind nach dem Gesetzeswortlaut nur zulässig, wenn sie mit einer zugelassenen Angabe kombiniert werden. Der BGH ist aufgrund früherer Entscheidungen allerdings (noch) der Auffassung, dass diese Kombinationsregelung nicht greife, weil die Listen mit zugelassenen Angaben bislang nicht abschließend erstellt seien (BGH, Urteil vom 17.01.2013 - I ZR 5/12 – Raupenpilz). Diese BGH-Rechtsprechung wurde in der juristischen Literatur zu Recht kritisiert, auch einige Instanzgerichte folgen ihr nicht (OLG Hamm, Urteil vom 07.10.2014, Az. I-4 U 138/13; KG Berlin, Urteil vom 27.11.2015, Az. 5 U 96/14). Die Thematik muss jedoch nicht erörtert werden, da der BGH beide Aussagen als spezifische Angaben einstuft. Für die Abgrenzung zwischen spezifischen und unspezifischen Angaben kommt es nach Auffassung des BGH darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen dem Lebensmittel bzw. seinen Bestandteilen und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt werde, dessen wissenschaftliche Absicherung in einem Zulassungsverfahren nach der Verordnung überprüft werden kann. Spezifische Claims seien also nur solche Angaben, die sich wissenschaftlich überprüfen lassen. Nach Ansicht des BGH sei das für die Aussagen zu den Repair-Kapseln der Fall, weil die positive Wirkung der Kapseln auf die Haut, das Haar und die Fingernägel wissenschaftlich überprüfbar sei. Für die Herz-AS-Kapseln gelte das in Bezug auf die Herzfunktionen ebenso.
Beide Werbeaussagen sind nach Auffassung des BGH nicht durch die hier maßgebliche VO 432/2012 zugelassen und damit verboten. Zwar seien grundsätzlich auch Angaben erlaubt, die sinngleich mit den zugelassenen Angaben seien, jedoch gelte ein strenger Maßstab. Bei den „Repair“-Kapseln sei die Sinngleichheit bereits aufgrund des Wortes „Repair“ nicht gegeben. Der Verbraucher verstehe den Begriff „Repair“ dahingehend, dass Schäden an der Haut etc. beseitigt werden könnten, zugelassene Claims beziehen sich jedoch nur auf die „normalen“ Körperfunktionen. Zudem ließe die Aussage nicht erkennen, welche Stoffe sie betreffen soll, für die Angaben zugelassen sind. Wie der BGH ausführt, ist die bloße Angabe einer bestimmten Wirkung ohne Benennung des Nährstoffes bzw. der Substanz, auf der die Wirkung beruht, nicht mit dem Inhalt der zugelassenen Angabe deckungsgleich und damit unzulässig. Entsprechend war nach Überzeugung des BGH auch die Aussage zu den „Herz-As“-Kapseln zu verbieten. Denn auch hier sei unklar geblieben, welcher Wirkstoff welche Wirkung hervorrufe.
Im Ergebnis bietet auch diese BGH-Entscheidung zur HCVO Anlass zur Kritik. Die Abgrenzung zwischen unspezifischen und spezifischen Angaben scheint der BGH den Rechtsanwendern nicht unbedingt erleichtert zu haben. Zwar stellt er zutreffend fest, dass nur solche Angaben spezifisch sind, die sich wissenschaftlich nachprüfen lassen, jedoch ist die Bewertung der Aussagen zumindest bei den „Repair-Kapseln“ nicht schlüssig. Ob eine Haut „toll“ ist, lässt sich wissenschaftlich nicht klären. Es bleibt bereits offen, was unter einer tollen Haut zu verstehen ist. Wird die Haut straffer, werden Falten verringert oder verbessert sich nur der Teint, oder treten alle Effekte ein? Zumindest das müsste sich aus der Aussage ergeben, damit sie wissenschaftlich geprüft werden kann. Womöglich lässt sich dem Ergebnis des BGH aber die Aussage entnehmen, dass noch so allgemeine positive Auslobungen wie „toll“, „super“, „gut“ usw. in Verbindung mit einer Körperfunktion immer spezifische Angaben sind. Damit würden als unspezifisch nur noch solche Angaben in Betracht kommen, die sich auf das Produkt an sich, jedoch nicht auf Körperfunktionen beziehen („unser super Gesundheitsmüsli“). Hierfür spricht, dass die zugelassenen Angaben in ihrem Aussagegehalt mitunter nicht wirklich spezifisch sind. Eine Aussage wie „trägt zum Erhalt der normalen Haare“ ist streng betrachtet keinem wissenschaftlichen Beweis zugänglich, sondern es sind letztlich bestimmte Nachweisparameter (Haardicke, Anzahl etc.), aus denen eine solche Angabe hergeleitet werden kann. Sofern der BGH eine Klärung im vorgenannten Sinn herbeiführen wollte, verlagert er jedoch letztlich nur das Abgrenzungsproblem. Denn nun wird sich der Werbende fragen dürfen, ob die Aussage „mit Zink für eine tolle Haut“ noch deckungsgleich mit dem zugelassenen Claim „Zink trägt zur Erhaltung normaler Haut“ ist. Darüber wird man sich dann wieder trefflich streiten können, da der BGH die Frage im konkreten Fall leider unbeantwortet ließ.
Eindeutiger kann die Entscheidung in Bezug auf Aussagen zum Aussehen und zur Schönheit interpretiert werden. Das OLG Düsseldorf hat solche Beauty Claims nicht im Anwendungsbereich der HCVO gesehen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015 – I-2 U 11/15). Der BGH ist wohl anderer Meinung und liegt damit richtig, denn eine Differenzierung zwischen dem bloßen Aussehen der Haut („tolle Haut“) und den Hautfunktionen („strafft die Haut“) ist wenig überzeugend (siehe nun auch KG Berlin, Urteil vom 26.07.2016, Az. 5 U 18/16).
Wichtigste Erkenntnis des Urteils dürfte sein, dass bei der Formulierung von gesundheitsbezogenen Angaben immer darauf zu achten ist, dass sich diese auf konkrete Stoffe beziehen, die gesetzlich zugelassen sind, die Stoffe also auch in der Werbung oder auf dem Produkt genannt werden. Pauschale Produktaussagen ohne Bezug zu den Stoffen, die Gegenstand eines zugelassenen Claims sind, dürften nach dieser BGH-Entscheidung mit einem hohen Beanstandungsrisiko verbunden sein. Bleibt am Ende der Appell an den BGH, seine Entscheidungen zur HCVO endlich so eindeutig und transparent zu formulieren, dass sie für die betroffenen Unternehmen mehr Fragen beantworten als aufwerfen.
Diätprogramme und die Health Claims Verordnung
Die Verordnung 1924/2006 (HCVO) lässt gesundheitsbezogene Werbung für Lebensmittel nur in engen Grenzen zu. Lebensmittel mit einem gesundheitlichen Zusatznutzen finden oft auch im Rahmen von Diät- und Sportprogrammen Verwendung. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit die Bewerbung des Diätangebotes in den Anwendungsbereich der HCVO fällt. Hierzu hat kürzlich das Oberlandesgericht Celle eine richtungsweisende Entscheidung erlassen.
Im Streit zwischen der Wettbewerbszentrale und einem Diätanbieter stand das Produkt „A. Vitalkost“, welches im Rahmen eines 14-Tage Fastenprogramms beworben wurde. Bei dem Produkt handelt es sich um ein Lebensmittel für kalorienarme Ernährung zur Gewichtsverringerung. Es wurde in der angegriffenen Werbebroschüre u.a. mit den Worten „Flüssigkeitsfasten tut dem Körper gut. Doch wer länger radikal fastet, baut stark Muskeln ab. Dagegen hilft A.“ erwähnt. Zudem enthält die Broschüre eine Empfehlung des „Ernährungsmediziners Professor Dr. Aloys B.“, der u.a. wie folgt zitiert wird: „Das Lebensmittel A. enthält biologisches und durch ein patentiertes Verfahren leicht verdauliches Sojaeiweiß und Milchprotein. Dadurch erfüllt A. in idealer Weise die Anforderungen an ein eiweißergänzendes Fasten“.
Das OLG Celle stuft die Aussagen als „gesundheitsbezogen“ im Sinne der HCVO ein. Mit der Werbung würden die Vorzüge des Produktes gegenüber den gesundheitlichen Wirkungen des klassischen Fastens ohne das Produkt beworben. Der für die Anwendbarkeit der HCVO erforderliche Produktbezug folge zudem aus weiteren Stellen der Broschüre. So werde die Bedeutung des Lebensmittels durch die Gestaltung der Broschüre verdeutlicht. Diese enthalte nämlich auf der ersten Seite das Logo des Produktes direkt über dem Titel „planfigur DAS 14-TAGE-PROGRAMM Extra: Fasten“. Ferner seien auf der Webseite des Unternehmens Studienergebnisse zu dem Produkt veröffentlicht. Bei Gesamtbetrachtung der Werbung stelle das Produkt den „Grundstein“ für das beschriebene Diätprogramm, so die Richter. Mangels HCVO-Zulassung wurden die Aussagen daher verboten.
Im Ergebnis ist die Entscheidung gut nachvollziehbar. Die werbliche Einkleidung eines Lebensmittels in ein Diätprogramm wird nur unter gewissen Umständen möglich sein. Die Werbung darf in keinem Fall das Lebensmittel besonders hervorheben, sondern sich auf das Diätprogramm im Allgemeinen bzw. auf andere Komponenten wie den Ernährungsplan und ggf. ein zusätzliches Sportprogramm beziehen. Hier entscheidet der Einzelfall. Zu beachten ist, dass Wirkaussagen zu den Diätprogrammen auch dann problematisch sein können, wenn die HCVO keine Anwendung findet. Hier gelten dann die allgemeinen Vorgaben des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb oder ggf. auch des Heilmittelwerbegesetzes. Zu guter Letzt ist darauf hinzuweisen, dass das OLG Celle die Empfehlung durch den „Ernährungsmediziner“ Dr. Aloys B. ebenfalls wegen Verstoßes gegen die HCVO verboten hat, da Art. 12 lit. c. HCVO solche ärztlichen Empfehlungen für Lebensmittel untersagt.
Unterliegen Beauty-Claims der Health-Claims Verordnung?
Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Ähnlich ist es bei der Frage, ob Werbeaussagen für Lebensmittel auch dann im Anwendungsbereich der Health Claims Verordnung 1924/2006 liegen und zugelassen sein müssen, wenn diese sich nur auf das Aussehen und die Schönheit beziehen.
Solche Beauty-Claims lauten beispielsweise „Collagen kann zu einem glatten und festen Hautbild führen“, „Elastin verleiht Elastizität“, „Hylauronsäure bindet die Feuchtigkeit, Falten werden einfach weggepolstert“. Bisher sind die meisten Gerichte davon ausgegangen, dass es sich um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Health Claims Verordnung handelt, die entsprechend zugelassen sein müssen (was bei den vorgenannten bisher nicht der Fall ist). Das Oberlandesgericht Düsseldorf scheint das mittlerweile etwas anders zu sehen. In einer aktuellen Entscheidung hat es die vorgenannten und weitere ähnliche Aussagen nicht als gesundheitsbezogen eingestuft. So würden diese Aussagen nur ein als optisch ansprechender und schöner empfundenes glattes Aussehen der Haut versprechen, ohne dass sich an deren eigentlichen Funktionen für den menschlichen Organismus etwas ändere. Die Aussagen würden also nur das äußere Erscheinungsbild der Haut betreffen, nicht aber deren Funktion, die darunter liegenden Körperpartien zu schützen. Nur solche funktionsbezogenen Aussagen würden jedoch im Anwendungsbereich der Verordnung liegen. Selbst wenn ausgelobt werde, dass das Präparat den Körper hinreichend mit Collagen, Hyaluronsäure und Elastin versorgen soll, würde nach Ansicht der Richter kein Gesundheitsbezug vorliegen. Solche Aussagen würden lediglich ausdrücken, dass das Präparat über den menschlichen Stoffwechsel die Haut mit den vom Körper nicht mehr in ausreichendem Maß zur Verfügung gestellten Inhaltsstoffen versorge. Der reine Bezug zur Versorgung des Körpers mit bestimmten Stoffen reiche aber für die Annahme eines Gesundheitsbezuges nicht aus. Insofern hat das Gericht die Anwendbarkeit der Health Claims Verordnung für die betreffenden Aussagen verneint.
Letztlich kommt es auf diese doch sehr gewagten Thesen der Düsseldorfer Richter jedoch nicht an. Denn nach deren Auffassung müssen sich die Werbeaussagen jedenfalls an dem allgemeinen Verbot der irreführenden Werbung messen, welches in der EU-Lebensmittelinformations-verordnung (LMIV) verankert ist. Danach dürfen einem Lebensmittel keine Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt. Auch wenn nach Ansicht der Richter aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine zu strengen Anforderungen an eine wissenschaftliche Absicherung gelten, müssen dennoch lege artis durchgeführte Untersuchungen zu dem Ergebnis geführt haben, dass die betreffenden Werbeaussagen richtig sind, ablehnende wissenschaftliche Stellungnahmen unabhängiger Wissenschaftler zu der betreffenden Studie nicht vorliegen und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das beworbene Produkt gesundheitsschädlich ist. Sofern dabei wie im vorliegenden Fall verschiedene Inhaltsstoffe in einem Kombinationspräparat beworben werden, müssen sich die Untersuchungen auf diese konkrete Wirkstoffkombination beziehen, so die Richter. Im konkreten Streitfall mangelte es hieran, das werbende Unternehmen konnte solche produktspezifischen Untersuchungen im Gerichtsverfahren nicht vorlegen. Die „Wirksamkeitsnachweise“ des Unternehmens bezogen sich stets nur auf die einzelnen in Kombination verwendeten Inhaltsstoffe.
Letztendlich konnte in diesem Fall also offen bleiben, ob Beauty-Claims der Health Claims Verordnung liegen. Sollte allerdings ein Unternehmen über aussagekräftige produktspezifische wissenschaftliche Untersuchungen verfügen, wäre der Fall zumindest vor den Düsseldorfer Gerichten womöglich anders zu beurteilen.
Unterliegt die Fachkreiswerbung der Health Claims Verordnung?
Bisher ist rechtlich umstritten, ob gesundheitsbezogene Werbeaussagen von Lebensmittelunternehmen gegenüber Fachkreisen (z.B. Industriepartnern, Ernährungsberatern, Ärzten) unter die Verordnung 1924/2006 fallen und einer Zulassung bedürfen.
Diese Frage ist anhand des Wortlauts der Verordnung nicht eindeutig zu beantworten, sie wurde auch nicht im Gesetzgebungsverfahren behandelt. Nach dem Wortlaut der Verordnung gilt die Verordnung für mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Aussagen beworbene Lebensmittel, die „als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen“. Das können auch solche sein, die gegenüber Fachkreisen beworben werden. Zu den Zielen der Verordnung zählt indirekt unter anderem ein fairer Wettbewerb, was ebenfalls dafür spricht, dass die Werbung für Fachkreise im Anwendungsbereich liegt. So sehen das mittlerweile auch einige Gerichte (siehe LG Berlin, Urteil vom 04.11.2015, Az. 91 O 79/14). Das LG München I hat hierzu am 19.01.2015 beim EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen eingereicht, die Entscheidung des EuGH steht noch aus (Rechtssache C-19/15). Allerdings liegt bereits der Schlussantrag des Generalanwalts vor. Dieser vertritt ebenfalls die Auffassung, dass Health Claims gegenüber Fachkreisen der Verordnung unterliegen und damit zugelassen sein müssen (Schlussanträge vom 18.02.2016). Der EuGH wird sich dieser Sichtweise womöglich anschließen.