Das Inverkehrbringen neuartiger Lebensmittel bedarf einer Zulassung. Als Belohnung für die erheblichen finanziellen Investitionen, die ein Antragsteller tätigen muss, um eine Zulassung zu erhalten, wird diesem bei Zulassung ein Schutz auf seine Daten gewährt. Das folgt aus Art. 26 der Verordnung (EU) 2015/2293. Voraussetzung ist, dass es sich bei den Daten um neu gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse oder wissenschaftliche Daten zur Stützung des Zulassungsantrags handelt. Sofern der Antragsteller seinen Antrag auf solche Daten stützt, wird das dann entsprechend in der Unionliste für Novel Food vermerkt. Dort findet sich auch der Hinweis, dass, solange der Datenschutz gilt, das neuartige Lebensmittel nur von dem Antragstellerin der EU in Verkehr gebracht werden darf, es sei denn, ein späterer Antragsteller erhält die Zulassung für das betreffende neuartige Lebensmittel ohne Bezugnahme auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse oder wissenschaftlichen Daten, die dem Datenschutz unterliegen, oder er hat die Zustimmung des ursprünglichen Antragstellers. Der Antragsteller erhält also für den Zeitraum von 5 Jahren ein Exklusivrecht und kann Lizenzen ereilen, ohne die anderen der Vertrieb des zugelassenen Novel Foods nicht gestattet ist. Dieses Datenschutzprinzip findet sich übrigens auch im Rahmen der Health Claims Verordnung 1924/2006 für zugelassene gesundheitsbezogene Angaben für Lebensmittel, dort in Artikel 21.
Läuft die fünfjährige Datenschutzfrist aus und besteht kein Patentschutz in Bezug auf das Novel Food (was der Regelfall sein dürfte), dürfen also auch andere Unternehmen das zugelassene neuartige Lebensmittel in den Verkehr bringen. Aus dem Markt ist bekannt, dass Zulassungsinhaber dennoch versuchen, weiter Exklusivität zu beanspruchen und gegen Vertreiber des zugelassenen Novel Foods vorzugehen, welche sich für das Inverkehrbringen auf die vom Antragsteller erwirkte Zulassung berufen. Hier wird vor allem behauptet, dass allein der Zulassungsinhaber exklusiven Zugang zum Wirkstoff und Herstellungsverfahren habe und der Wirkstoff daher auch nur weiterhin vom Zulassungsinhaber bezogen werden könne. Solche Behauptungen des Zulassungsinhabers sollten kritisch hinterfragt werden. Der Zulassungsinhaber ist hier in der Beweispflicht. Ohne Vorlage von Nachweisen, sollte einer Unterlassungsaufforderung nicht leichtfertig Folge geleistet werden, vor allem wenn die eigene Bezugsquelle eine andere Auskunft gibt. Sollten Unternehmen vom Zulassungsinhaber oder deren Anwälten kontaktiert werden, empfiehlt es sich, selbst anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Cannabidiol-Start-Ups sprießen wie Pilze aus dem Boden, vor allem werden CBD-Produkte als Lebensmittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel vertrieben. Leider befassen sich viele Unternehmen, wohl auch durch Investoren getrieben, nicht rechtzeitig mit den regulatorischen Anforderungen, die an Lebensmittel gestellt werden. Das hat nicht nur zu diversen Gerichtsentscheidungen geführt, sondern einige Überwachungs-behörden haben das Inverkehrbringen von CBD-haltigen Lebensmitteln sogar per Allgemeinverfügung verboten, so auch die Hamburger Behörden mit der "Allgemeinverfügung der Bezirksämter Hamburg-Mitte, Altona, Eimsbüttel, Hamburg-Nord, Wandsbek, Bergedorf und Harburg vom 17.09.2020 zur Untersagung des Inverkehrbringens von Cannabidiol (CBD)-haltigen Lebensmitteln".
Diese Allgemeinverfügung wurde nun erstmalig von einem betroffenen Unternehmen angegriffen, allerdings bislang erfolglos, das Verwaltungsgericht Hamburg hat einen Eilantrag des Unternehmens mit Beschluss vom 26.01.2021 zurückgewiesen. Das Unternehmen hatte Hanfsamenöle mit zugesetztem Hanfextrakt in drei Varianten (mit einem Cannabidiol-Gehalt von 2,75 Prozent, 5 Prozent und 10 Prozent) vertrieben. Das VG Hamburg stellte zunächst fest, dass diese unter die Allgemeinverfügung fallen, da die Verfügung nicht auf mit CBD angereicherte Hanfextrakte beschränkt sei. Nach summarischer Prüfung des Gerichts sei die Hamburger Allgemeinverfügung auch rechtmäßig erlassen worden, da es sich bei den unter die Verfügung fallenden Produkten um neuartige Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung handele, die mangels Zulassung nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Das Gericht stützt sich hierbei insbesondere auf den Novel-Food-Katalog der EU, der Hanfextrakte als Novel Food einstufe, im Beschluss des Gerichts heißt es hierzu:
"Während gewisse Teile der Hanfpflanze – ausdrücklich genannt werden Samen, Samenöl, Samenmehl und entfettete Samen – nach dem Novel-Food-Katalog nicht neuartig seien, listet dieser unter dem Eintrag „Cannabinoids“ den im streitgegenständlichen Produkt enthaltenen Hanfextrakt auf. Im Begleittext des Eintrags heißt es insofern: „[…] extracs of Cannabis sativa L. and derived products containing cannabinoids are considered novel foods as a history of consumption has not been demonstrated“. Die Kommission stuft das Hanfextrakt demnach als neuartiges Lebensmittel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der Novel-Food-Verordnung ein. Von der Indizwirkung umfasst sind sowohl cannabinoid-, das heißt unter anderem canabidiolhaltige Extrakte selbst als auch alle Produkte, denen diese zugesetzt werden (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 16.10.2019, 9 S 535/19, juris Rn. 15). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein (cannabidiolhaltiges) Gesamt- bzw. Vollspektrum-Hanfextrakt oder um Cannabidiol-Isolate oder zusätzlich mit Cannabidiol angereicherte Hanfextrakte handelt (so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.12.2019, 13 ME 320/19, juris Rn. 30)"
Auch die kürzlich ergangene EuGH-Entscheidung, wonach Cannabidiol als Cannabisextrakt mangels psychoaktiven Wirkstoffes nicht in die Definition des Suchtstoffes einzubeziehen sei, ändere daran nichts, da die Entscheidung sich nicht mit der lebensmittelrechtlichen Thematik befasst habe. Das Gericht musste zudem nicht entscheiden, ob auch reine Hanfsamenöle unter die Allgemeinverfügung fallen, hat jedoch in Frage gestellt, ob diese überhaupt CBD in signifikanten Mengen enthalten.
Ob die Entscheidung des VG Hamburg rechtskräftig wird, bleibt abzuwarten, jedenfalls kann zu einem Vertrieb solcher Produkte derzeit nicht guten Gewissens geraten werden, jedenfalls solange man nicht die finanziellen Mittel und Ausdauer hat, solche Rechtsstreitigkeiten bis ins Letzte auszufechten. Einige Unternehmen bzw. deren kreative Anwälte haben es zwischenzeitlich mit einem Re-Branding als Lebensmittelaroma versucht. Die Novel-Food Verordnung findet auf Lebensmittelaromen keine Anwendung. Das war sicherlich ein "nice try", nur haben CBD-haltige Hanfsamenextrakte zumindest nach Auffassung des OVG Lüneburg keine aromatisierende Wirkung. In dem erst vor 2 Wochen ergangenen Beschluss vom 04.02.2021 heißt es hierzu:
"Entscheidend für die Einstufung als Aroma ist, dass der Hanf-Aroma-Extrakt von der Antragstellerin verwendet wird, um dem Lebensmittel „Hanfsamenöl“ einen besonderen Geruch und/oder Geschmack zu verleihen oder diese zu verändern. Eine solche Zweckbestimmung hat die Antragstellerin für die hier zu beurteilende konkrete Verwendung nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Gegen eine hauptsächlich bezweckte aromatisierende Wirkung spricht auch schon der hohe Gehalt an CBD in dem zugesetzten Extrakt, der diesen als wertgebende Zutat mit eher ernährungsphysiologischer Zweckbestimmung erscheinen lässt".
Auch dieser Weg ist stark risikobehaftet. Manche Anbieter verschlägt es nun ins Ausland, allerdings findet auf sie deutsches Lebensmittel- und Wettbewerbsrecht Anwendung, sofern sie ihre Produkte auf dem deutschen Markt vertreiben, zumindest in der EU droht daher auch eine gerichtliche Inanspruchnahme und Vollstreckung. Die Umwidmung auf eine andere Produktkategorie ist eine Überlegung wert, wobei auch bei kosmetischen Mitteln der Wind nun härter weht. Das Verwaltungsgericht VG Schleswig hat in einem Beschluss vom 25.01.2021 CBD-haltige Kosmetika verboten. Zum einen beruft es sich darauf, dass trotz der vorgenannten EuGH-Entscheidung ein Betäubungsmittel vorliege, welches nicht in kosmetischen Mitteln Einsatz finden dürfe. Zum anderen ist es der Auffassung, dass CBD-haltige Kosmetika nicht sicher im Sinne der EU-Kosmetikverordnung seien. Das Gericht stützt sich hier auf Aussagen eines Landeslabors, wonach für Cannabidiol keine belastbaren toxikologischen Daten vorliegen sollen, die im Rahmen einer Sicherheitsbewertung herangezogen werden könnten.
Im Ergebnis sind CBD-Produkte aus rechtlicher Sicht derzeit eine Hochrisikokategorie und jeder, der sich hier nicht anwaltlich beraten lässt, läuft Gefahr, in langwierige behördliche und gerichtliche Auseinandersetzungen verwickelt zu werden. Es bleibt abzuwarten, ob CBD-Produkte in Zukunft als Novel Food zugelassen werden.
Chiasamen werden vielfach als neues "Superfood" angepriesen. Der Samen entstammt der botanischen Pflanze Salvia hispanica L., die ursprünglich aus Mexiko kommt. Rechtlich betrachtet ist der Einsatz und Vertrieb als Lebensmittel mit einigen Hürden verbunden.
Chiasamen gelten als neuartige Lebensmittel(zutaten), die vor Mai 1997 noch nicht in nennenswerten Umfang in der EU verzehrt worden sind. Als Novel Food unterliegen sich der Zulassungspflicht nach der Novel Food Verordnung 258/97 (künftige Verordnung 2015/2283). Eine Zulassung ist erstmalig im Jahre 2009 durch die EU Kommission zur Verwendung in Broterzeugnissen mit einem bestimmten Höchstgehalt erfolgt. 2013 erfolgte dann eine Erweiterung zum Einsatz in anderen Lebensmitteln wie Frühstückscerealien sowie Mischungen aus Früchten und Nüssen. Sofern Chiasamen als vorverpackte Lebensmitteln in den Verkehr gebracht werden, müssen Sie mit dem Hinweis gekennzeichnet sein, dass eine tägliche Verzehrmenge von 15 g nicht überschritten wird. Zudem gelten bestimmte Herstellungsspezifikationen, die zu beachten sind (Durchführungsbeschluss 2013/50/EU). Entsprechende Vorgaben sieht der Gesetzgeber auch für Chiaöl vor (Durchführungsbeschluss 2014/890/EU).
Zu beachten sind ferner die Vorgaben der Health Claims Verordnung 1924/2006. Für Chiasamen und Chiaöl sind derzeit keine Health Claims zugelassen. Allenfalls können sich Angaben auf die in den Chiasamen enthaltenen Vitamine, Mineralstoffe und Omega-3-Fettsäuren beziehen, was jedoch im Einzelfall vor der Vermarktung geprüft werden sollte.
Schließlich kann auch die Kennzeichnung Probleme bereiten. Das Landgericht Hamburg hat entschieden, dass die Bezeichnung "Chia Samen" eine unvollständige Verkehrsbezeichnung sei, sofern ihr nicht der Klammerzusatz "Salvia hispanica" hingefügt ist.
Am 11.12.2015 wurde die neue EU-Verordnung 2015/2283 über neuartige Lebensmittel im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Nachfolgend erhalten Sie eine erste Orientierung:
Mit der Verordnung wird die Definition des neuartiges Lebensmittels gändert. Unter anderem sind nun auch ganze Tiere, Lebensmittel aus Zell- oder Gewebekulturen sowie Erzeugnisse mineralischen Ursprungs und auch unter bestimmten Voraussetzungen Vitamine und Mineralstoffe im Anwendungsbereich der Verordnung. Entsprechendes gilt für technisch hergestellte Nanomaterialien, sofern diese nicht bereits durch andere Vorschriften zugelassen werden. Klargestellt wird, dass Novel Food auch solche Lebensmittel sind, die vor dem 15.05.1997 lediglich als ausschließlich in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet wurden.
Zulassungen sind zudem künftig nicht mehr antragstellerbezogenen, sondern gelten allgemein, hierzu wird erstmalig bis zum 01.01.2018 durch die EU-Kommission eine (generische) Unionsliste erstellt. Ferner wird das Zulassungsverfahren zeitlich gekürzt.
Für traditionelle Lebensmittel aus Drittländern sieht die Verordnung einen erleichterten Marktzugang vor. Dieser setzt voraus, dass eine mindestens 25-jährige sichere Verwendung außerhalb der Europäischen Union nachgewiesen wird.
Ferner werden die Datenschutzfristen der Verordnung mit denen für parallel beantragte Health Claims synchronisert. Damit werden die Daten des Antragstellers für einen Zeitraum von 5 Jahren geschützt.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Florian Meyer