OLG Hamburg: Foodwatch e.V. kann Aussage zu Nebenwirkungen bei Pflanzensterin-Produkt nicht
verbieten
Foodwatch e.V. hatte vor einem Streichfett gewarnt, da es angeblich mit Nebenwirkungen verbunden sein. Hierauf reagierte das betroffene Unternehmen mit einer Pressemitteilung. Unter anderem war darin folgender Satz enthalten: "„Und aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Verzehr Pflanzensterin-angereicherter Produkte mit Nebenwirkungen in Verbindung zu bringen ist“. Foodwatch sah darin eine unwahre Tatsachenbehauptungen und verklagte das Unternehmen auf Unterlassung. Dem ist das Oberlandesgericht Hamburg nicht gefolgt. Nach Ansicht der Hamburger Richter wird die angegriffene Äußerung von dem Durchschnittsleser nicht dahingehend verstanden, dass es überhaupt keine Stelle gebe, die die Auffassung vertreten würde, dass Pflanzensterin-angereicherte Produkte Nebenwirkungen hätten. Aus dem Kontext - insbesondere dem Umstand, dass mit der Pressemitteilung auf Angriffe seitens des Klägers erwidert wird und die von dem Kläger „geäußerten Sicherheitsbedenken wegen der gering erhöhten Pflanzensterinspiegel, wie sie bei langfristigem Verzehr der Produkte zuweilen beobachtet werden“, im weiteren Verlauf der Pressemitteilung ausdrücklich in Bezug genommen werden - wird dem Leser vielmehr deutlich, dass es durchaus Stimmen gibt, die das Auftreten von Nebenwirkungen bejahen. Diesen wird in der angegriffenen Äußerung von dem darin zitierten Wissenschaftler lediglich entgegengehalten, dass sie nicht „aus wissenschaftlicher Sicht“ erfolgten. Ob eine Aussage einer wissenschaftlichen Sichtweise entspricht oder nicht, ist aber ganz maßgeblich von einer Bewertung der jeweiligen Äußerung und ihres Urhebers abhängig, die einer Überprüfung durch Mittel des Tatsachenbeweises nicht zugänglich ist. Dass es der Beklagten selbst in ihrer Pressemitteilung um eine Bewertung der geäußerten Kritik geht und nicht darum, die Existenz kritischer Stimmen zu bestreiten, werde dem Leser zudem dadurch deutlich gemacht, dass die angegriffene Äußerung damit eingeleitet wird, es folge eine „Einschätzung“ der Kritik durch die nachfolgend zitierten Wissenschaftler.
Das OLG Hamburg sieht in der Aussage im Übrigen auch keinen Verstoß gegen die Health Claims Verordnung 1924/2006 (HCV). Art. 3 HCV verbietet Angaben der von ihm erfassten Art nur bei der Kennzeichnung und Aufmachung der Lebensmittel selbst oder bei der „Werbung“ für diese. Nach Ansicht des Gerichts erscheint es kaum als angängig, als Werbung eine Äußerung zu klassifizieren, deren Anlass nicht von dem Werbenden selbst ausgeht, sondern die eine bloße Reaktion des Herstellers auf einen konkreten Angriff auf das Produkt durch einen Dritten darstellt. In einem solchen Fall wäre es mit der Garantie der Meinungsfreiheit kaum vereinbar, dem Kritiker ein Recht zur öffentlichen Äußerung einer Produktkritik zu geben, dem betroffenen Unternehmen aber aus wettbewerbsrechtlichen Erwägungen heraus zu untersagen, auf diese Kritik öffentlich zu erwidern. Selbst dann, wenn eine solche Reaktion als Werbung zu klassifizieren sein sollte, wäre sie indessen aus dem Gesichtspunkt der Meinungsäußerungsfreiheit heraus jedenfalls gerechtfertigt, so die Richter.
Urteil vom 01.09.2015