Urteile zur Abgrenzung Lebensmittel Arzneimittel Kosmetik

VG Würzburg entscheidet wie VG Bayreuth zur Arzneimitteleigenschaft von 5-HTP

Das vorliegende Urteil behandelt einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen eine behördliche Anordnung, die das Inverkehrbringen eines Produkts mit dem Inhaltsstoff "5-HTP" untersagt. Die Antragstellerin, vertreten durch einen Anwalt, begehrt die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die besagte behördliche Entscheidung.

 

Der Bescheid vom 31. Januar 2023 verbietet das Inverkehrbringen des Produkts "5-HTP" aufgrund eines arzneimittelrechtlichen Inverkehrbringungsverbots nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Die zuständige Behörde kann demnach das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung nicht vorliegt.

 

Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Frage, ob das Produkt "5-HTP" als Funktionsarzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG) einzustufen ist oder ob es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel handelt. Diese Unterscheidung ist entscheidend, da sie die rechtlichen Anforderungen an das Inverkehrbringen des Produkts beeinflusst.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel solche, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Die Antragstellerin argumentiert, dass es sich bei "5-HTP" um ein Nahrungsergänzungsmittel handle, während die Behörde davon ausgeht, dass es als Funktionsarzneimittel einzustufen sei.

 

Die rechtliche Beurteilung, ob ein Produkt als Funktionsarzneimittel gilt, erfolgt nach verschiedenen Kriterien, darunter die Zusammensetzung, pharmakologische Eigenschaften, Modalitäten des Gebrauchs und mögliche Gesundheitsrisiken. Die Entscheidung muss von Fall zu Fall getroffen werden. Der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht haben betont, dass die physiologische Wirkung eines Produkts über diejenige eines Lebensmittels hinausgehen muss, um als Funktionsarzneimittel eingestuft zu werden.

 

Im vorliegenden Fall gibt es unterschiedliche Auffassungen bezüglich der pharmakologischen Wirkung von "5-HTP" und der Frage, ob es eine positive Beeinflussung der physiologischen Funktionen hat. Die Behörde argumentiert, dass es eine Erhöhung des Serotoninspiegels im Gehirn bewirkt und somit als Funktionsarzneimittel einzustufen ist. Die Antragstellerin bestreitet dies und verweist auf Unsicherheiten und Zweifel in wissenschaftlichen Studien.

 

Das Gericht stützt sich auf eine vergleichbare Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in einem ähnlichen Fall, die zu dem Schluss kommt, dass die Erfolgsaussichten der Klage als offen anzusehen sind.

 

Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass das Vorliegen eines neuartigen Lebensmittels eine Zulassung erfordert, die bisher nicht vorliegt. Der sogenannte Novel-Food-Katalog der Europäischen Kommission spielt hierbei eine Indizwirkung für die Neuartigkeit eines Lebensmittels.

 

Die Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutz basiert auf der Abwägung der offenen Erfolgsaussichten der Klage gegen die behördliche Anordnung und dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheids. Das Gericht schließt sich den vorherigen Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an und kommt zu dem Schluss, dass die Erfolgsaussichten als offen anzusehen sind. Daher wird der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.


VG Köln: Wimpernserum ist kein Arzneimittel

Das VG Köln hatte folgenden Fall zu entscheiden: Die Klägerin ist eine Spezialistin im Bereich hochpreisiger Beauty-Marken und hat das Produkt "K." entwickelt, das als Kosmetikum verkauft wird. Es enthält einen Wirkstoff namens "Methylamid-dihydro-noralfaprostal" (MDN), der eine strukturelle Verwandtschaft zu Prostaglandinen aufweist. Prostaglandine sind eine Gruppe von chemischen Verbindungen, die in verschiedenen Organen des Körpers vorkommen und physiologische Vorgänge beeinflussen. Ein Prostaglandin-Derivat namens "Bimatoprost" (BMP) wird in Augentropfen zur Behandlung des Glaukoms verwendet und hat als Nebenwirkung das verstärkte Wimpernwachstum.

 

Die Klägerin bewirbt ihr Produkt "K." als innovatives Beauty-Produkt, das das natürliche Wachstum und die Dichte der Wimpern um bis zu 50% fördert. Allerdings hat die zuständige Behörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), festgestellt, dass "K." als Arzneimittel einzustufen ist und somit einer Zulassung bedarf. Das BfArM argumentiert, dass der enthaltene Wirkstoff MDN eine vergleichbare Wirkung auf das Wimpernwachstum wie BMP hat, und daher als Funktionsarzneimittel betrachtet werden sollte.

 

Die Klägerin hingegen argumentiert, dass MDN keine pharmakologische Wirkung aufweise und die Förderung des Wimpernwachstums keine nennenswerte Beeinflussung der physiologischen Funktionen darstelle. Sie führt an, dass ihr Produkt rein kosmetischer Natur sei und keine konkrete, der Gesundheit förderliche Wirkung habe.

 

Der Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 29.04.2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 06.10.2017 wurden vom Gericht als rechtswidrig erklärt, da sie die Rechte der Klägerin verletzen. 

 

Die Gerichtsentscheidung betont, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Einstufungsentscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist. Dennoch können im gerichtlichen Verfahren wissenschaftliche Erkenntnisse, wie Studien und Sachverständigengutachten, berücksichtigt werden, die nachträglich gewonnen wurden.

 

In Bezug auf das konkret streitgegenständliche Produkt, ein Wimpernserum, wird festgestellt, dass es nicht als Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 a AMG einzustufen ist. Stattdessen wird es als Kosmetikprodukt eingestuft. Die gesetzlichen Definitionen von Arzneimitteln basieren auf europäischem Recht und betreffen Stoffe oder Zubereitungen, die entweder zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden dienen, oder die physiologische Funktionen durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungen wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen.

 

Die Kammer führt aus, dass das Produkt in Frage ähnlich wie eine Wimperntusche oder ein Eyeliner vermarktet wird und primär auf die Verbesserung des Aussehens abzielt. Es richtet sich an Personen, die ihre Wimpern optisch verstärken möchten. Dabei wird betont, dass das Produkt keine nennenswerten gesundheitsfördernden Wirkungen aufweist, die über die normale Funktionalität von Kosmetika hinausgehen.

 

Die Kammer stellt fest, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirkung des Produkts auf das Wimpernwachstum nicht ausreichen, um es als Funktionsarzneimittel einzustufen. Obwohl der Wirkstoff möglicherweise pharmakologische Wirkungen hat, reicht dies allein nicht aus, um die Arzneimittel-Eigenschaft zu begründen. Es wird betont, dass für die Einstufung als Funktionsarzneimittel eine gesundheitsfördernde Wirkung erforderlich ist, die über die normale Wirkung von Kosmetika hinausgeht.

 

In Anbetracht dieser Erkenntnisse und unter Berücksichtigung verschiedener Studien und rechtlicher Argumente kommt die Kammer zu dem Schluss, dass das streitgegenständliche Produkt nicht als Funktionsarzneimittel einzustufen ist, da es keine hinreichend nachgewiesene gesundheitsfördernde Wirkung aufweist. Daher bleibt es als Kosmetikprodukt klassifiziert.

 


VG Bayreuth: 5-HTP ist ein Funktionsarzneimittel

Das Gericht hat entschieden, dass das streitgegenständliche Produkt, die "5 HTP extra Kapseln", als nicht zugelassenes Arzneimittel einzustufen ist. Die Einordnung als Arzneimittel erfolgt nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) und basiert auf der pharmakologischen Wirkung des enthaltenen Wirkstoffs 5-HTP.

 

Das Gericht erläuterte, dass der Begriff "Arzneimittel" im § 2 AMG definiert ist. Danach sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind und im oder am menschlichen Körper angewendet oder verabreicht werden können, um physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Es ist von zentraler Bedeutung, ob das Produkt eine pharmakologische Wirkung hat, die eine gezielte Steuerung von Körperfunktionen von außen ermöglicht.

 

Die Gerichtsentscheidung stellte fest, dass die "5 HTP extra Kapseln" den Serotoninspiegel im menschlichen Körper beeinflussen können. 5-HTP ist eine nicht proteinogene Aminosäure und eine Vorstufe für die Synthese von Serotonin, einem wichtigen Neurotransmitter im Gehirn, der die Stimmungslage beeinflusst. Das Produkt enthält laut Gutachten des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) 49,8 mg 5-HTP pro Kapsel, was bei der empfohlenen täglichen Verzehrmenge von vier Kapseln etwa 200 mg 5-HTP entspricht.

 

Die Gerichtsentscheidung zitierte verschiedene wissenschaftliche Veröffentlichungen und Expertenmeinungen, die belegen, dass 5-HTP den Serotoninspiegel im Gehirn und in der Peripherie erhöhen kann, wenn es oral eingenommen wird. Die pharmakologische Wirkung von 5-HTP geht über das hinaus, was durch den Verzehr eines üblichen Lebensmittels in angemessener Menge erzielt werden kann. Daher kann das Produkt nicht als Nahrungsergänzungsmittel eingestuft werden.

 

Der Anwalt der Antragstellerin versuchte, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu bestreiten und argumentierte, dass das Produkt keine pharmakologische Wirkung habe. Er behauptete auch, dass die im Produkt enthaltenen Zusatzstoffe die Wirkung von 5-HTP möglicherweise beeinträchtigen könnten. Das Gericht entschied jedoch, dass der Anwalt keine ausreichenden Beweise für seine Behauptungen vorgelegt habe und dass die vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse die pharmakologische Wirkung von 5-HTP im Produkt belegen.

 

Angesichts der pharmakologischen Wirkung des Produkts und möglicher Gesundheitsrisiken, wie dem Serotoninsyndrom bei übermäßigem Konsum oder gleichzeitiger Einnahme anderer Arzneimittel, entschied das Gericht, dass das streitgegenständliche Produkt als Funktionsarzneimittel einzustufen ist und somit den Vorschriften des Arzneimittelrechts unterliegt.

 

Die Entscheidung des Gerichts betonte auch die Verhältnismäßigkeit der Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde, das Inverkehrbringen des Produkts zu untersagen. Das Verbot dient dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Sicherheit im Umgang mit Arzneimitteln. Die Antragstellerin hat jedoch die Möglichkeit, eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Produkt zu beantragen und es legal auf den Markt zu bringen.

 

Insgesamt bestätigte das Gericht die Rechtmäßigkeit des Bescheids der zuständigen Behörde und wies den Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung des Verbots ab. Somit bleibt das Inverkehrbringen der "5 HTP extra Kapseln" weiterhin untersagt, bis eine arzneimittelrechtliche Zulassung erfolgt.


OVG NRW: S-Adenosylmethionin mit 200 mg Tagesdosis ist kein Arzneimittel

 

In einem sieben Jahre andauernden Rechtsstreit hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebrachtes Produkt mit dem Bestandteil S-Adenosylmethionin (SAM) und der angegebenen Tagesdosis von 200 mg kein Funktionsarzneimittel ist. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfARM) stellte mit einem bereits im Jahr 2015 erlassenen Bescheid fest, dass es sich bei dem Produkt um ein Arzneimittel handele. Hiergegen klagte das betroffene Unternehmen und unterlag zunächst in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln. Die hiergegen eingelegte Berufung war jedoch erfolgreich. Nach Ansicht des OVG NRW konnte das beweislastpflichtige BfArM den erforderlichen plausiblen wissenschaftlichen Nachweis einer pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkung, die einen nennenswerten, positiven Einfluss auf die physiologischen Funktionen hat, nicht führen. Die Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig. 


D-Mannose ist ein Funktionsarzneimittel

Nach Auffassung des OLG Köln entfaltet ein Produkt mit dem Hauptwirkstoff D-Mannose ein pharmakologische Wirkung, das Inverkehrbringen als Medizinprodukt "zur Prävention und unterstützenden Behandlung von Zystitis sowie anderen Harnwegsinfektionen" sei daher unzulässig. 


KG Berlin: Einstufung eines Globuli-Produktes als Präsentationsarzneimittel

 Ein Wettbewerbsverband hatte einen österreichischen Hersteller eines „Globuli“-Mittels mit der Bezeichnung „HCG C 30 G. Globuli“ abgemahnt. Der Verband ist der Auffassung, das Produkt erwecke den Anschein eines homöopathischen Arzneimittels und verstoße damit gegen § 2 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG). Die Bezeichnung HCG beziehe sich auf ein Hormon, das schwangere Frauen in erhöhtem Maße in der Plazenta bildeten, dessen Wirkungen im Zusammenhang mit einer HCG-Diät (sog. „Hollywood-Diät“) zur Reduzierung von Übergewicht jedenfalls nicht erwiesen seien und das in dem aus Zuckerkügelchen bestehenden Produktes auch nicht enthalten sei. Das Kammergericht Berlin hat die Sichtweise des Verbands mit Urteil vom 18.09.2018 bestätigt. Auf ein beworbenes homöopathisches Arzneimittel weise bereits die Angabe „Globuli“ hin. Auch nach der Wikipedia-Definition (ja das Gericht zitiert Wikipedia) sei Globuli eine kugelförmige Substanz, die in der Alternativmedizin Anwendung finde, beispielsweise im Rahmen der Bach-Blütentherapie. Dass die Zuckerkügelchen auch in Lebensmittel, z.B. fürs Backen, Verwendung finden, sei unerheblich, da das Produkt nicht entsprechend aufgemacht sei. Die Abkürzung „C 30“ sei zudem ein auf homöopathische Arzneimittel deutender Potenzierungshinweis gemäß dem Arzneibuch. Zudem bestärke die Produktaufmachung den Eindruck eines Arzneimittels. Auch die für das Produkt veranschlagten Preise seien Arzneimittelpreise und keine Lebensmittelpreise.


OVG Niedersachen: Kapseln mit 100 mg Gingko-Biloba-Extrakt sind Arzneimittel

 

Das Oberverwaltungsgericht Niedersachen hat Kapseln mit 100 mg Tagesdosis Gingko-Biloba-Extrakt als Funktionsarzneimittel im Sinne von § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) eingestuft. Ausschlaggebend waren das Vorhandensein einer Aufbereitungs-monographie zu einer Dosis von 120 mg/Tag sowie zwei weitere Studien, wonach die Zufuhr des Extrakts in einer Dosierung von 80 mg/Tag zu einer verbesserten Blutviskosität, einer verbesserten zerebralen Perfusion sowie zu einer verbesserten kognitiven Funktion geführt habe.  


Kapseln mit Gingko-Biloba-Extrakt und Rotschimmelreis sind Arzneimittel

Kapseln mit 100 mg Gingko-Biloba-Extrakt im Droge-Extakt Verhältnis 50:1 und einem Gehalt von 22-27% Flavonyglykosiden und 5% bis 7 % Terpenlactonen wurden vom Oberlandesgericht Hamm als Funktionsarzneimittel und nicht als Nahrungsergänzungs-mittel eingestuft. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat  ein Präparat, das pro Kapsel 333 mg rot fermentierten Reis mit 10 mg des Wirkstoffs Monacolin K enthält, ebenfalls als zulassungspflichtiges Funktionsarzneimittel klassifiziert.


OLG Celle: "Sleepwell-Kapseln" mit Melatonin sind Arzneimittel

 

Das Oberlandesgericht Celle hat sog. "Sleepwell-Kapseln", die 5 mg Melatonin enthalten, als Arzneimittel im Sinne von § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) und nicht als Lebensmittel eingestuft. Das Gericht ist im Verfahren einem Sachverständigengutachten gefolgt, welches zu dem Ergebnis kam, dass 5 mg Melatonin eine pharmakologische Wirkung im menschlichen Körper entfalte. Das Hormon Melatonin könne gestörten Schlaf positiv beeinflussen, auch wenn die molekularen Mechanismen nicht vollständig geklärt seien, so der Gutachter.  Mitentscheidend war für die Begutachtung, dass das Produkt "Circadin" mit 2 mg Tagesdosis als Arzneimittel zugelassen sei und die zu dem Produkt vorliegenden Fachinformationen eine therapeutische Wirkung belegen würden. Zudem würden Stellungnahmen des Bundesinstitus für Risikobewertung und des Bundesinstituts für Arzneimittel aus den Jahren 1996 bzw. 2011 vorliegen, wonach es sich bei Produkten mit dem Wirkstoff Melatonin in der hier fraglichen Dosierung um zulassungspflichtige Arzneimittel handelt, so das Gericht.


EuGH: Farbige Kontaktlinsen sind keine kosmetischen Mittel

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass farbige Kontaktlinsen ohne Sehstärke nicht in den Anwendungsbereich der EU-Kosmetikverordnung 1223/2009 fallen, auch wenn sie als "Kosmetisches Augenzubehör" in den Verkehr gebracht werden. Entscheindend für den EuGH war u.a., dass die Linsen auf die Hornhaut aufgesetzt werden, diese Anwendungsart jedoch nicht von der gesetzlichen Definition des "kosmetischen Mittels" erfasst wird.


VG Köln: Babybalsam mit 6 % Eucalyptus globulus ist Arzneimittel

 

Das Verwaltungsgericht Köln hat entschieden, dass ein als Kosmetikum vermarktetes Babybalsam mit 6 % Eucalyptus globulus als Arzneimittel und nicht als kosmetisches Mittel im Sinne von § 2 Abs. 5 LFGB bzw. Art. 2 der EU-Kosmetikverordnung 1223/2009 einzustufen ist. Im streitigen Verfahren wurden dem Gericht zwar vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur pharmakologische Studien zu einer höheren Dosierung von 10 % präsentiert, das sei jedoch nach Auffassung des Gerichts unerheblich. Denn in dem Fall einer "geringfügigen Unterschreitung" müsse das vertreibenede Unternehmen des Nachweis führen, dass eine pharmakologische Wirkung nicht vorliege. Zudem stufte das Gericht das Präparat auch als Präsentationsarzneimittel ein, da es innerhalb einer Dachmarke mit Arzneimitteln unter der Bezeichnung "Erkältungspräparate" beworben wurde.


LG Berlin: Melatonin 5mg Kapseln gegen Jetlag sind Funktionsarzneimittel

 

Nach einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des Landgerichts Berlin handelt es sich bei Nahrungsergänzungsmittel mit dem Wirkstoff Melatonin in einer Dosierung von 5mg Funktionsarzneimittel, welches Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) nicht vertrieben werden dürfen. Dem Produkt komme nach Ansicht des Bundesintituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie ausweislich von Literaturdaten eine pharmakologische Wirkung zu. Dass es in anderen EU-Ländern rechtmäßig im Verkehr sei, ändere daran nichts. 


OLG Karlsruhe: "Wundpflegecreme" kein Arzneimittel

 

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe handelt es sich bei einer "Wundpflegecreme" mit der Indikation „für empfindliche und irritierte Hautstellen“ nicht um ein Arzneimittel, auch wenn die Creme außerhalb des Etiketts mit der Aussage "heilungsfördernd" beworben wurde. Entscheidend war, dass diese Aussage lediglich im Rahmen einer Fachzeitschrift für pharmazeutisch-technische Assistenten und Assistentinnen einmalig erschienen ist. Dass das werbende Unternehmen ihr Produkt so oder ähnlich auf breiterer Basis und in allgemein zugänglichen Medien präsentieren würde, wurde im Prozess nicht vorgetragen. Einzelne Äußerungen mit einem derart beschränkten Adressatenkreis vermögen nach Auffassung der Karlsruher Richter die allgemeine Verkehrsauffassung über die objektive Zweckbestimmung eines Stoffs als Kosmetikum oder Arzneimittel aber nicht zu prägen. Der Rechtssicherheit wäre hiermit nicht gedient, weil schon eine vereinzelte Werbemaßnahme für ein Kosmetikum mit „Arzneimittelbezug“ zur Zulassungspflicht nach § 21 Arzneimittelgesetz und ohne Zulassung zum Verbot jeder weiteren, auch für sich genommen unbedenklichen, Werbung nach § 3a Heilmittelwerbegesetz führen würde. Die Bezeichnung auf dem Etikett als „Wundpflegecreme“ und die Indikation „für empfindliche und irritierte Hautstellen“ eröffnen für sich jedoch keinen sicheren Arzneimittelbezug, so die Richter. 


OLG Köln: Psychoaktiv wirksame Pflanze Kratom kein Arzneimittel

 

In einem Strafverfahren hat das OLG Köln entschieden, dass es sich bei der psychoaktiv wirksamen Pflanze Kratom nicht um ein Arzneimittel im Sinne von § 2 Arzneimittelgesetz handelt. Diese wurde in getrockneter und extrahierter Form durch einen Internethändler vertrieben, gegen den aufgrund des Vertriebs Anklage erhoben wurde. Bei Kratom handelt es sich um das gemahlene Blattgut des Kratombaums der überwiegend in Thailand, Malaysia, aber auch in Neuguinea vorkommt. Es wird in den Herkunftsländern traditionell als volksmedizinische Anwendung bei verschiedenen Erkrankungen verwendet. Nach den von der zuständigen Staatsanwaltschaft herangezogenen Strafvorschriften der §§ 95 Abs. 1 Ziff. 1, 96 Ziff. 5 AMG macht sich strafbar, wer ein Fertigarzneimittel im Sinne des § 21 Abs. 1 AMG ohne die erforderliche Zulassung oder Genehmigung in den Verkehr bringt. Die Strafbarkeit nach beiden Vorschriften setzt demnach voraus, dass es sich bei Kratom um ein „Arzneimittel“ handelt.

 

Das ist nach der Auffassung des OLG Köln jedoch nicht der Fall. Das Gericht beruft sich hierbei auf eine Entscheidung  der EuGH vom 10. Juli 2014 (C-358/13 und C-181/14). Der EuGH habe den Arzneimittelbegriff insgesamt dahin ausgelegt, dass von diesem Stoffe nicht erfasst sind, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein. Aus dem Kreis der Arzneimittel fallen danach solche Stoffe und Stoffzusammensetzungen heraus, die zwar geeignet sind, die physiologischen Funktionen zu beeinflussen, aber dem Funktionieren des menschlichen Organismus und damit der Gesundheit nicht zuträglich sind, die vielmehr nur ihrer Rauschwirkung wegen konsumiert werde. Das sei bei Kratom nach Sachverständigenfeststellungen der Fall. So finde das Kratom hier ausschließlich als Psychostimulans Verwendung. Die Kratom-Produkte ausschließlich hierfür in den Verkehr zu bringen bzw. sie entsprechend zu konsumieren, entsprach auch der Absicht der Angeklagten und deren Abnehmer, so die Richter. Der Umstand, dass die Substanz in Ländern mit unterentwickelter medizinischer Versorgung gegen bestimmte Erkrankungen tatsächlich eingesetzt werde, ohne dass über etwaige Resultate etwas bekannt ist, vermag vor diesem Hintergrund die Arzneimitteleigenschaft nicht begründen. Es kann nach Auffassung des Gerichts insoweit nicht darauf ankommen, ob ein Stoff zu bestimmten Zwecken eingesetzt wird, sondern nur darauf, ob dies auch mit therapeutischem Erfolg geschieht. Hierfür gebe es aber keine belastbaren Hinweise.


OLG Hamburg: Abgrenzung Arzneimittel/Kosmetikum bei Neurodermitis-Cremes

 

Nach Auffassung des OLG Hamburg ist ein der Hautpflege dienendes Kosmetik-Produkt nicht schon deshalb ein Präsentationsarzneimittel, weil es nach seiner Zweckbestimmung im Zusammenhang mit einer Hauterkrankung eingesetzt werden soll, wenn zu einer in der Fachwelt empfohlenen Behandlung der Erkrankung nicht nur eine Therapie mit Arzneimitteln, sondern auch eine therapiebegleitende Hautpflege mit Kosmetika gehört. Konkret ging es um als "medizinische Hautpflege" ausgelobte Cremes zum Einsatz bei Neurodermitis, die unter der Dachmarke "AtopiControl" vertrieben werden.


BGH: Medizinprodukt nur bei medizinischer Zweckbestimmung

Der BGH hat entschieden, dass der Hersteller eines Produktes den Anwendungsbereich des Produktes, das an sich sowohl medizinischen als auch nicht-medizinischen Zwecken dienen könnte, auf den nicht-medizinischen Bereich beschränken kann. Das Produkt ist dann kein Medizinprodukt und unterliegt nicht den medizinprodukterechtlichen Bestimmungen.

 

Die Entscheidung ist insbesondere für Hersteller und Vertreiber von kosmetischen Geräten im Grenzbereich zu medizinischen Geräten von Bedeutung (z.B. IPL- und Lasergeräte).


LG Wuppertal: Seifenrasierblock eines Rasierers ist ein kosmetisches Mittel

 

Zwei Hersteller von Rasierern stritten darüber, ob bei einem Seifenrasiererblock ein Mindesthaltbarkeitsdatum nach der EU-Kosmetikverorordnung 1223/2009 anzugeben sei. Es kam dann zu einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung vor dem LG Wuppertal. Bei dem Seifenblock des Rasierers handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um ein kosmetisches Mittel gem. Art. 2 Abs. 1a) der EU-Kosmetikverordnung. Es sei ein Gemisch, das dazu bestimmt ist, mit der Haut in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen Zweck, diese zu schützen und in einem gutem Zustand zu halten. Gerade das wurde vom angegriffenen Wettbewerber so ausgelobt, denn in der Werbung führte er aus,  dass Schäumen, Rasieren und Feuchtigkeit spenden in einem Schritt für eine natürlich schöne Haut sorgen. Nachdem zwischen den Parteien unstreitig war, dass die Mindesthaltbarkeit des umstrittenen Mittels mehr als 30 Monate beträgt, folgte damit nach Meinung des Gerichts die Verpflichtung, anzugeben, wie lange das Mittel nach dem Öffnen vom Verbraucher verwendet werden kann, ohne dass eine Gefährdung der Gesundheit zu erwarten ist.

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Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Florian Meyer

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