Medizinprodukterecht, Pflichten in der Vertriebskette


Nachfolgend möchten wir Ihnen einen Überblick darüber geben, welche Pflichten für Hersteller, Importeure und Händler von Medizinprodukten nach der EU-Medizinprodukte-Verordnung 2017/745 (MDR) gelten. Die MDR hat die Medizinprodukten-Richtlinien, u.a. Richtlinie 93/42/EWG, ersetzt und schafft erstmals einen in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden Rahmen für Medizinprodukte. Dieser wird in Deutschland durch Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte (MPDG) und weitere Sondervorschriften ergänzt. 

Anwendungsbereich der Medizinprodukteverordnung

Die MDR gilt für Medizinprodukte, das sind grundsätzlich Produkte mit medizinischer Zweckbestimmung, die für die Anwendung beim Menschen bestimmt sind.  Zu den relevanten Medizinprodukten im Verbraucherbereich gehören beispielsweise Verbandstoffe, Blutdruckmessgeräte, Fieberthermometer, Antigentests, Sehhilfen, Kondome, bestimmte Dentalprodukte, bestimmte Fußpflegeartikel, Schnupfen- und Halsschmerzpräparate mit physikalischer Wirkweise sowie Produkte zur Empfängnisregelung. Zudem gelten auch bestimmte Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung als Medizinprodukte gelten, z.B. Kontaktlinsen, Laser- und IPL-Geräte zur Haarentfernung und Hautverjüngung. 

Wie erkenne ich ein Medizinprodukt?

Medizinprodukte sind nach der MDR mit dem Wort „Medizinprodukt“ oder dem Symbol „MD“ zu kennzeichnen, so dass sie hierüber als solche identifiziert werden können, das erforderliche CE-Kennzeichnen auf den Produkten reicht für sich jedenfalls bei Elektrogeräten nicht zur Identifikation aus, weil auch diese ein CE-Kennzeichen nach anderen Vorschriften tragen müssen. Ab bestimmten Risikostufen muss bei Medizinprodukten das CE-Kennzeichnen mit einer vierstelligen Nummer der Konformitätsbewertungsstelle gekennzeichnet sein, so dass darüber eine Identifikation als Medizinprodukt möglich ist. Zudem wird je nach Produktart über eine einmalige Produktkennung auf dem Produkt bzw. der Verpackung eine Identifikation als Medizinprodukt möglich sein. 

Regelungssystem der MDR

Medizinprodukte bedürfen einer Konformitätsbewertung, dem Ausstellen einer EU-Konformitätserklärung und einer CE-Kennzeichnung der Produkte durch den Hersteller. Hinsichtlich der Medizinprodukte wird nach vier Risikoklassen unterschieden, grundsätzlich muss erst ab Risikoklasse II für die Konformitätsbewertung eine Konformitätsbewertungsstelle eingeschaltet werden (z.B. TÜV, Dekra), allerdings ist diese Hinzuziehung nun auch bei einigen Klasse I Produkten erforderlich (z.B. Produkte mit Messfunktion). 

Pflichten nach dem Medizinprodukterecht

Die MDR definiert die Pflichten der einzelnen Akteure in der Lieferkette (Hersteller, Importeure, Händler) konkret. Als Hersteller gilt, wer ein Produkt herstellt oder neu aufbereitet bzw. entwickeln, herstellen oder neu aufbereiten lässt und dieses Produkt unter seinem eigenen Namen oder seiner eigenen Marke vermarktet. Bei Eigenmarkenprodukten gelten die jeweils auf dem Produkt als Inverkehrbringer stehenden Firmen somit als Hersteller mit den aus der MDR resultierenden Herstellerpflichten. Bei Fremdmarkenprodukten gelten Handelsunternehmen grundsätzlich als Händler.

 

Eine Ausnahme gilt für Direktimporte aus Drittländern, in dem Fall gelten die Händler als Importeure, mit gegenüber Händlern gesteigerten Sorgfaltspflichten bezüglich der importierten Produkte. Je nachdem ob Unternehmen als Hersteller, Händler oder Importeure gelten, ergeben sich für diese unterschiedliche Anforderungen. Für die Betroffenen ist also zunächst zu klären, ob sie Medizinprodukte vertreiben und als Hersteller, Händler oder Importeure gelten. 

Hersteller von Medizinprodukten

Unternehmen, die auf den Produkten bzw. Etiketten mit Marke, Namen und Anschrift als Inverkehrbringer stehen, gelten als Hersteller. Sie haben wie bisher die Konformitätsbewertung durchzuführen und die CE-Kennzeichnung anzubringen. Zudem haben sie sich und ihre Produkte in der europäischen Medizinproduktedatenbank EUDAMED zu registrieren. Der Hersteller hat für Produkte, die in Deutschland auf dem Markt bereitgestellt werden, die EU-Konformitätserklärung in deutscher oder in englischer Sprache zur Verfügung zu stellen. Zudem hat er für Produkte eine einmalige Produktkennung, sog. UDI (Unique Device Identification) zu vergeben, die von einer Zuteilungsstelle (u.a. GS1) generiert wird und in der Produktkennzeichnung und auf der Verpackung zu erscheinen hat. Der UDI ermöglicht eine klare und eindeutige Identifizierung auf dem Markt befindlicher Produkte und soll deren Rückverfolgbarkeit erleichtern.

 

Für die Überwachung der Medizinprodukte nach dem Inverkehrbringen durch den Hersteller, sog. Post-Market Surveillance (PMS), macht die MDR strengere und umfangreiche Vorgaben, insbesondere müssen Hersteller einen PMS-Prozess als Bestandteil ihres Qualitätsmanagementsystems implementieren. Zudem werden die Hersteller durch die MDR zu einer produkthaftungsrechtlichen Deckungsvorsorge verpflichtet. Auch müssen in ihrer Organisation über mindestens eine Person mit dem erforderlichen Fachwissen auf dem Gebiet der Medizinprodukte verfügen bzw. bei Klein- und Kleinstunternehmen müssen sie auf eine solche Person zugreifen können. Für Händler besteht eine solche Pflicht nicht.

Händler im Medizinprodukterecht

Im Vergleich zur früheren Rechtslage enthält die MDR nun konkrete Pflichten für Händler von Medizinprodukten. Bevor sie ein Produkt auf dem Markt bereitstellen, überprüfen die Händler, ob alle folgenden Anforderungen erfüllt sind:

  • Das Produkt trägt die CE-Kennzeichnung und es wurde für das Produkt vom Hersteller eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt; 
  • Dem Produkt liegen die nach der MDR erforderlichen Pflichtinformationen grundsätzlich in deutscher Sprache bei, konkret handelt es sich um die in Anhang I Kapitel III, Abschnitt 23 MDR enthaltenen Informationen in Form der Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung;
  • Das Produkt ist ab d mit der UDI gekennzeichnet ist, sofern eine UDI-Kennzeichnung für das entsprechende Produkt vorgesehen ist;
  • Bei Drittlandsimportartikeln muss der Importeur mit Namen und Adresse in der Kennzeichnung erscheinen.

Zur Erfüllung der Anforderungen kann der Händler ein Probenahmeverfahren anwenden, das für die von ihm gelieferten Produkte repräsentativ ist. Die gewählten Prüfungen müssen im Hinblick auf das Produktportfolio angemessen sein.

 

Die MDR sieht nunmehr ausdrücklich vor, dass Händler Beschwerden von Kunden über mutmaßliche Vorkommnisse im Zusammenhang mit einem Medizinprodukt unverzüglich an den Lieferanten weiterleiten müssen. Händler müssen zudem nun ein Register über Beschwerden, nicht konforme Produkte, Rückrufe und Rücknahmen führen und Hersteller sowie ggf. Importeure hierüber auf dem Laufenden halten.

 

Im Übrigen gelten weiterhin die allgemeinen, wenn auch zuvor nicht ausdrücklich geregelten, Handlungspflichten bei nicht sicheren Produkten, ggf. Rücknahme, Rückruf, Information der Behörden, Hersteller, Abnehmer. Bei von einem Produkt ausgehenden schwerwiegenden Gefahren (Risiko des Todes oder einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands) hat zudem eine Meldung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfARM) über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem (DMIDS) zu erfolgen und die zuständige lokale Überwachungsbehörde ist zu informieren, wenn anzunehmen ist, dass es sich bei dem Produkt um ein gefälschtes Produkt handelt.

 

Im Rahmen der Rückverfolgbarkeit müssen Händler in der Lage sein, der zuständigen Behörde für einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren Auskunft darüber geben zu können, von welchem Wirtschaftsakteur sie Produkte bezogen und an wen sie diese abgegeben haben. Zudem sind wie bisher die Lager- und Transportvorgaben des Herstellers für die Produkte zu beachten.

Importeure von Medizinprodukten

Wer Medizinprodukte direkt aus Drittländern importiert, gilt als Importeur im Sinne der MDR und hat als solcher gegenüber Händlern gesteigerte Sorgfaltspflichten. Wie Händler haben Importeure zu prüfen, ob das Produkt die CE-Kennzeichnung trägt und für das Produkt vom Hersteller eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt wurde. Eine Kopie dieser haben sie für mindestens zehn Jahre für die Behörden zur Einsicht bereit zu halten. Importeure haben sich zudem zu vergewissern, dass der Drittlandshersteller der Produkte bekannt ist und er für die EU einen Bevollmächtigten benannt und, sofern erforderlich, eine UDI vergeben hat.

 

Zudem müssen Importeure Drittlandsimportartikel mit ihrem Namen und ihrer Anschrift kennzeichnen. Packen sie Ware um oder ändern sie das Labelling, gelten weitere Anforderungen bezüglich der Kennzeichnung und des Qualitätsmanagementsystems. Importeure können in den Fällen unter Umständen auch zum Hersteller werden, wenn diese Maßnahmen Auswirkungen auf die Konformität der Produkte haben. Das gilt im Übrigen auch für Händler, sofern sie solche Veränderungsmaßnahmen an den Produkten vornehmen. Importeure sind zudem für die rechtskonforme Kennzeichnung der Produkte einschließlich des Vorhandenseins einer rechtskonformen Gebrauchsanweisung verantwortlich.

 

Importeure überprüfen zudem, dass das Produkt durch den Hersteller in der EUDAMED-Datenbank registriert ist und ergänzen diese Registrierung durch ihre Daten. Auch Importeure müssen zudem ein Register über Beschwerden, nichtkonforme Produkte, Rückrufe und Rücknahmen führen und Hersteller hierüber informiert halten. Im Übrigen gelten auch für Importeure weiterhin die allgemeinen Handlungspflichten bei nicht sicheren Produkten. Auch für sie gilt nun zudem die Meldepflicht über das DMIDS. 

Haftung nach dem Medizinprodukterecht

Den Hersteller trifft die volle Produktverantwortung. Für Verbraucherschäden haftet zudem auch der Importeur nach allgemeinem Produkthaftungsrecht. Zudem können gegen Hersteller und Importeur bestimmte straf- und verwaltungsrechtliche Sanktionen bei Verstößen ihrer Pflichten gegen die MDR verhängt werden, insbesondere wenn sie Medizinprodukte ohne gültige Konformitätserklärung oder CE-Kennzeichnung in den Verkehr bringen. 

 

Den Händler trifft grundsätzlich keine Herstellerverantwortung. Verletzt der Händler eine seiner aufgezeigten Verpflichtungen nach der MDR, kann ihn aber diesbezüglich auch eine straf- und zivilrechtliche Haftung treffen, das gilt, insbesondere wie bisher dann, wenn er Gesundheitsschäden verursacht, z.B. aufgrund falscher Lagerung oder Verkauf von Medizinprodukten, bei denen die auf dem Produkt angegebene Haltbarkeitsdauer überschritten wurde. Eine straf- und zivilrechtliche Haftung kann ihn wie bisher auch dann treffen, wenn er bei gesundheitsgefährdenden Produkten nicht rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz seiner Kunden ergreift. Zudem steht der vorsätzliche oder fahrlässige Handel mit gefälschten Medizinprodukten unter Strafe. 

Handlungsempfehlungen

Nicht nur Hersteller, sondern auch Importeure und Händler sind gut beraten, sich mit den aufgezeigten Vorgaben der MDR vertraut zu machen, ihren Status als Hersteller, Händler oder Importeur zu klären und die entsprechenden Verpflichtungen aus der MDR umzusetzen. 

Kontaktaufnahme zum Anwalt für Medizinprodukterecht

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Florian Meyer

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